Die Annäherung

Roman. München (Luchterhand Verlag) 2016

Klappentext und Pressestimmen

Als er wegen eines Schwächeanfalls in ein Krankenhaus eingeliefert wird, spürt Theo, daß er an das Ende seines Lebens angekommen ist: Er ist alt und fortan pflegebedürftig, was ihn eine Ohnmacht und Hilflosigkeit spüren läßt, die er bisher nicht kannte. Er zieht Bilanz, ist in Gedanken oft bei seiner frühverstorbenen ersten Frau, deren Sterben er erst jetzt richtig begreift, und er erinnert sich an nicht mehr gut zu machende Versäumnisse, während ihm die Gegenwart und die bisher glückliche Ehe mit Berta aus dem Gleichgewicht gerät. Aber auch dieses letzte Lebensjahr bringt noch einmal Glück und einen Neuanfang durch die junge ukrainische Pflegerin Ludmila, die sein Herz erreicht, wie weder Berta noch seine seit Jahrzehnten entfremdete Tochter Frieda es vermögen. Ludmila wird zu Theos letzter Liebe, sie wird ihm zur Tochter, wie Frieda es nie war, denn ihr ist der Vater zeitlebens fremd geblieben. Für sie, die verstoßene Tochter, ist Theos liebevoller Umgang mit Ludmila, die Nähe zwischen den beiden, unbegreiflich und schmerzlich. Und doch erfüllt sie seine Bitte und reist in die Ukraine, um Ludmila zu ihm zurückzubringen. Im Gegenzug darf sie zum ersten Mal Einblick in Theos Kriegstagebuch nehmen, von dem sie sich die endgültige Antwort darauf verspricht, ob ihr Vater, entgegen seinen lebenslangen Beteuerungen,  sich als Wehrmachtsangehöriger schuldig gemacht hat. Die Reise wird zu einer Spurensuche in die Vergangenheit, zu einem Versuch der nie geglückten Auseinandersetzung zwischen der Kriegsgeneration und den Nachgeborenen.

Anna Mitgutschs Figuren balancieren auf dem schmalen Grat zwischen Nähe und Ferne, Zuneigung und Ressentiment, Schuld und Schuldlosigkeit auf eine Lösung  — vielleicht Erlösung – zu, die es niemals geben kann.

Pressestimmen:

“Anna Mitgutsch ist eine unerbittliche und mitfühlende Autorin zugleich. Sie fragt dort hartnäckig weiter, wo es den Figuren weh tut, aber sie richtet nicht über ihre Gestalten /…/ Annäherung ist ein politischer Familienroman, in den das ergreifende Drama zweier Menschen eingekapselt ist, die miteinander nicht konnten, aber doch in Wut und Sorge und in stetigem Mißverstehen aufeinander bezogen waren.” (Karl-Markus Gauß in: NZZ , 31.5.2016

“Die Frage nach der Liebe geht wie ein roter Faden durch das umfangreiche Buch /…/… ein vielschichtiges differenziertes Vaterbild, das auch eine europäische Biografie im 20. Jahrhundert nachzeichnet, ein mit Empathie gezeichnetes Bild, das dennoch kritisch, distanziert, schonungslos ist. /…/ Dieses Buch ist, und das macht seine Größe aus, der Versuch zu verstehen. /…/ Eine Familien-, eine schmerzliche Vater-Tochter-Geschichte, erzählt als nachgetragene Liebe, die um die Fragilität des Menschen weiß, seinen Hang zum Verrat, aber auch sein Gefährdetsein.” (Urs Faes in: Basler Zeitung, 3.5.2016)

“Wie eine Archäologin arbeitet sich Anna Mitgutsch durch die Schichten eines fast schon vergangenen Lebens und bleibt doch ganz in der Gegenwart /…/ A.M. gelingt es, mit wenigen Figuren und scheinbar wenig äußerer Handlung eine Spannung aufzubauen, die sich aus der Ambivalenz ihrer Protagonischen herleitet. (Ingeborg Sperl in: Der Standard, Album, 26. 3. 2016)

Die Annäherung erzählt nicht entlang politischer Ereignisse, vielmehr von Menschen in ihrer Gesamtheit, ihrem Tun, Denken, Sehnen und von vertanen Chancen. Es ist die feinfühlige Bestandsaufnahme einsamer, bis ans Lebensende Suchender. Die Figuren sind keine auffälligen Außenseiter. Das Gesellschaftliche kommt auch über manche Nebenfiguren. In erzählerischen Verzweigungen weiß Mitgutsch Erzählstränge virtuos zu verknüpfen. In dem breiten Panorama eines Jahrhunderts einfacher Leute holt sie weit aus und schneidet viele Themen an. /…/ Es geht um die großen universellen Fragen: Liebe, Alter, Rückschau, Schuld, Lebensweisheit, Vergänglichkeit, ein Hauch Vergeblichkeit. ( Gunther Neumann in: Die Presse, Spectrum, 26.3.2016

“A.Mitgutschs neuer Roman ist ein ebenso großer wie großartiger Erzähltext über ein Existenzial: die menschliche Erinnerung — die Notwendigkeit des Erinnerns, dessen Spuren in den Texturen des Erzählens, der Literatur insgesamt.” (Werner Jung in: Neues Deutschland, 14.3. 2016

“A.M. verfügt über ein hohes Maß an Lebensweisheit, über einen aufmerksamen, unvoreingenommenen und nachsichtigen Blick auf die Spezies Mensch.” (Christian Schacherreiter in : OÖNachrichten, 8.3.2016